Durch Kulturarbeit Perspektiven schaffen – unter dieser Prämisse machten sich im Juli 2003 sechs Künstler im Auftrag von Mututo e.V. auf den Weg nach Lubumbashi im Süden der Demokratischen Republik Kongo. Innerhalb von vier Wochen entstand unter der gemeinsamen Regie von Deutschen und Kongolesen eine spannende Collage. Artistik, Tanz, Theater und Musik – aus diesen vier Elementen kreierten kongolesische Kinder, Jugendliche und Künstler sowie das Mutoto-Team 2003 eine spektakuläre Aufführung von fast zwei Stunden Dauer. Drei Mal wurde das deutsch-kongolesische Kulturprojekt aufgeführt. „Im Fernsehen, im Radio und in den Zeitungen wurde fast täglich über unsere deutsch-kongolesische Performance berichtet“, freut sich Richard Nawezi, Vorsitzender von Mutoto.

Zum Reiseteam gehörten auch zwei münsterische Mediziner, die zwei Wochen lang in Lubumbashi arbeiteten: Der Zahnarzt Thomas Becker und die Tierärztin Christine Winkler. In einem von dem Kinderheim Bumi zur Verfügung gestellten Raum behandelte Thomas Becker vorrangig Kinder aus den von Mutoto unterstützen Heimen. Darin leben Kinder, die nie zuvor bei einem Zahnarzt waren. Denn: Wer in Kongo zum Arzt gehen will, braucht Geld. „Fast alle Menschen litten unter Schmerzen, ihr Zahnzustand war erschreckend“, so Becker. Obwohl Jung und Alt in Kongo keine Süßigkeiten essen, steht es gerade bei den Ärmsten sehr schlecht: Mangelnde Mundhygiene und chronische Unterernährung sind die Ursachen vieler Zahnprobleme. „Die Entzündungen und Vereiterungen waren zum Teil so schlimm, dass ich mir nicht vorstellen kann, wie die Leute die Schmerzen überhaupt ertragen konnten“, blickt Becker zurück. Seine „Notfall-Praxis“ war nur mit dem Nötigsten ausgestattet: Zwar leistete ein defekter Zahnarztstuhl noch gute Dienste, doch die Eingriffe mussten ohne Licht und ohne Wasser durchgeführt werden. Vor Ort kooperierte der Münsteraner mit Medizinern und Krankenschwestern aus Lubumbashi. Die bereits bestehenden, aber sehr schlechten Strukturen müssen dringend optimiert werden, darin waren sich alle einig. Zunächst ging es Becker darum, sich einen Eindruck von der Situation der Kinder zu verschaffen und größte Not zu lindern.

Die Ziegel werden gebrannt, die Architekten haben bereits Pläne vorgelegt: Mutoto baut zurzeit ein eigenes Kinderzentrum in Lubumbashi. Gemüseanbau und auch Tierhaltung sollen wichtige Bereiche werden. Die mitgereiste Tierärztin Christine Winkler nahm deshalb Schweine, Ziegen, Hühner und Fische unter die Lupe. „Die meisten, gut funktionierenden Hilfseinrichtungen haben große, gepflegte Gemüsegärten, betreiben Landwirtschaft und halten Tiere“, so ihr Eindruck. Schweine sind besonders wertvolle Tiere, sie werden gezüchtet und später verkauft. Fleisch liefern zum Beispiel Ziegen oder Hühner. Eine proteinreiche Ernährung sichert der Tilapia-Fisch, ein Allesfresser, der genügsam und pflegeleicht ist. „Für seine Haltung in künstlich angelegten Teichen müssen allerdings die Bedingungen wie beispielsweise die Wasserversorgung stimmen“, erläutert Winkler. Auf dem Mutoto-Grundstück muss also zunächst ein Brunnen gebohrt werden, um Wasser zu bekommen.?Gespräche mit kongolesischen Veterinären ergaben, dass die tiermedizinische Grundversorgung oft von den Haltern selbst erledigt wird, denn die Wege zur Tiermedizinischen Klinik sind zu weit und der Transport der Tiere entsprechend kompliziert. Eine ideale Ergänzung zu den bereits gehaltenen Tiere wären Milchziegen, die neben Milch auch regelmäßig Nachwuchs liefern. „Allerdings ist die Milchziegenhaltung in Kongo nicht verbreitet, mangelt es doch vor allem an ausreichenden Kühlmöglichkeiten für Milchprodukte“, erläutert die Tiermedizinerin.

Als sich das Mediziner-Duo bereits wieder auf dem Rückflug befand, lief das kongolesisch-deutsche Musik- und Theaterprojekt zu Hochtouren auf. Die deutschen Regisseure Richard Nawezi (kitunga.projekte) und Barbara Kemmler (Cactus Junges Theater) sowie der kongolesische Regisseur Kasongo und die Erzieherin Odette Nkulu probten täglich mit den Kindern und Jugendlichen. Die Musikpädagogin Gudula Rosa und die Musikerin Kim-José Bode gaben in den Einrichtungen beeindruckende Konzerte und erarbeiteten mit den Kindern die Blockflöten-Musik der Produktion. Henri Unsenos baute mit den Kindern und Jugendlichen an den Kulissen. Nely Daja, Schauspielerin und Sängerin, sang gemeinsam mit den Kindern und dem kongolesischen Künstler Kyungu Jean. Beeindruckend war ebenfalls der A-Capella-Gesang der Nuru-Gruppe „Best Musica“. Die Formation besteht aus vier blinden Brüdern, deren Songs in Deutschland zu einer CD verarbeitet werden wird. Für atemberaubende Momente sorgte das Ballet Bana Mampala, eine Artistik-Gruppe unter der Leitung von Kasongo. Auf dem nackten Boden und ohne Netz vollführten die Artisten hohe Menschen-Pyramiden und rasend schnelle Überschläge.

Über Musik, Tanz und Artistik drückten die Kinder ihre eigenen Probleme, Hoffnungen und Wünsche aus. Der Erfolg des Stücks war entsprechend überwältigend und hat vor allem eines erreicht: die Menschen in Lubumbashi auf die Situation der Kinder in den Heimen aufmerksam zu machen und den Kindern selbst – im Rahmen einer hochwertigen und gleichberechtigten Kulturarbeit – eine Perspektive aufzuzeigen und ihr Selbstwertgefühl zu stärken. ?Wichtig ist allerdings auch eines: Von Lethargie und Aussichtslosigkeit ist oft die Rede, wenn es um afrikanische Länder geht. „Das habe ich so überhaupt nicht erlebt, im Gegenteil“, betont Christine Winkler. Denkt sie an Afrika, so beeindruckt sie am meisten das positive Lebensgefühl und die Würde, die die Menschen trotz der Armut ausstrahlen. Es herrscht eine einfallsreiche Emsigkeit in allen Lebensbereichen. „Die Menschen leben ein einfaches Leben, dort spürt man, mit wie wenig man auskommen und zufrieden sein kann.“ -klö-

Folgende Künstler und Mediziner aus Münster waren an den Projekten beteiligt:
Folgende Künstler und Mediziner aus Münster waren an den Projekten beteiligt:
Musikprojekt: Gudula Rosa, mehrfach ausgezeichnete Musikerin und Musikpädagogin im Fachbereich Blockflöte an der Westfälische Schule für Musik (Münster)
Kim-José Bode, Musikerin und Schauspielerin, vielfache Preisträgerin des Wettbewerbs „Jugend musiziert“ auf Landes- und Bundesebene. Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen aus der von Mutoto unterstützten Kinderhilfseinrichtung „Bumi“ haben Gudula Rosa und Kim-José Bode einen Blockflötenworkshop durchgeführt. Das Musikprojekt ist Teil der Tanz-Theater-Artistik-Performance.
Theaterprojekt:Richard Nawezi (Projektleitung, Regie; Vorsitzender von Mutoto e.V.; kitunga.projekte)
Barbara Kemmler (Regie; künstlerische Leitung Cactus Junges Theater; Mitglied von Mutoto)
Henri Unsenos (Bühnenbildner)
Nely A. Daja (Schauspielerin und Sängerin)
Kongolesische Regisseure und Mitwirkende:
Kasongo (Regie, Artistik; Leiter des Ensembles Ballet Bana Mampala) und Ballet Bana Mampala
Odette Nkulu (Erzieherin in der Einrichtung Bumi, Regie)
Best Musica (A-capella-Gesang)
Kyungu Jean (Gesang, Chorleitung Bumi)
Medizinische Projekte: Thomas Becker (Zahnmediziner) und Christine Winkler (Tiermedizinerin).